Blockchain Services: In die Mülltonne mit konventionellen mentalen Modellen?
31. Jan 2019 - Geschrieben von Andree Huk
In Bezug auf UX (User Experience) bietet der Blockchain-Bereich viele Möglichkeiten, aber auch viele Herausforderungen, eine Fülle von Fallstricken und Engpässen.
Wie kürzlich geschrieben in dem Artikel Dezentralisierte Services: Herausforderungen für Produkt und Usability - Teil II:
Du fragst dich vielleicht, warum die Aufruhr? Tatsächlich sieht es oberflächlich gesehen ziemlich gleich aus. Unter der Oberfläche ist es das aber nicht.**
Da viele Nicht-Designer den Begriff UX mit UI verwechseln, möchte ich im Vorfeld darauf hinweisen, dass die Herausforderung in Blockchain und Crypto nicht das UI ist (= "die Oberfläche" im obigen Zitat), d.h. der visuelle Aspekt der User Experience oder des IxD (Interaction Design) eines Services.
Die eigentliche Herausforderung liegt unter der Oberfläche
Die technologischen Unterschiede zwischen dezentralen und zentralen Diensten sind natürlich die Hauptgründe für diese Herausforderungen. Dies ist wahrscheinlich für jeden offensichtlich, der sich mit der Blockchain-Technologie aus Perspektive der Usability beschäftigt hat. Was nicht so offensichtlich ist, sind die detaillierten Auswirkungen auf Produkte jeglicher Art und damit auch auf die Usability.
Warum?
Weil der Teufel im Detail steckt. Wie ich im letzten Artikel geschrieben habe:
Der Browser, oder das Frontend, übernimmt die härteste Arbeit. Und natürlich beeinflussen die technischen Anforderungen oder Implikationen Produktaspekte und -entscheidungen, die wiederum die gesamte User Experience stark beeinflussen, z.B. Nutzer Flows und dergleichen.
In die Mülltonne mit konventionellen mentalen Modellen?
Was ist ein mentales Modell? Mentale Modelle sind vereinfachte Abbilder der Funktionsweise der Welt oder eines Prozesses. Im Bezug auf die User Experience stehen mentale Modelle für die vereinfachte Art und Weise wie ein bestimmtes Produkt oder Service funktioniert. Diese Modelle entstehen über Zeit und werden z.B. genutzt, wenn ein Nutzer einen neuen Service ausprobiert. Die Person projiziert sein mentales Modell (basierend auf der Erfahrung mit anderen Services) auf diesen neuen, noch nicht genutzten Dienst.
Designer und Entwickler in Crypto stehen bereits vor der eigentlich Nutzung deren Blockchain Services vor grossen Herausforderung: Selbst der Registrierungsprozess eines solchen Services unterscheidet sich fundamental von konventionellen zentralisierten Diensten. Diese Probleme dieser Art wurden bei zentralisierten Diensten (z.B. Netflix, eBay) bereits in der Vergangeneheit gelöst.
Lasst uns zwei populäre Fälle betrachten, die bereits sehr gefestigte mentale Modelle haben:
- Ein konventioneller Anmelde-, Registrierungsprozess
- Kauf und Verkauf auf Plattformen wie Craigslist (US), eBay-Kleinanzeigen (DE) or Wallapop (ES)
Ein konventioneller Registrierungs- oder Anmeldeprozess
Ich nehme an (ohne klare Statistiken zur Hand zu haben), dass fast jeder unter 70 sich in der Vergangenheit zumindest sich bei einem Dienst online registriert hat. Je mehr Online-Dienste man nutzt, desto stärker ist das mentale Modell in Bezug auf die Funktionsweise dieses Dienstes (oder ähnlicher Dienste) geprägt. In unserem Fall: Je öfter ein Registrierungsprozes durchlaufen wurde desto stärker das mentale Modell diesbezüglich.
Wie oben kurz erläutert (oder in Herausforderungen für Produkt und Usability Teil I und Teil II), steht ein Registrierungsfluss eines Blockchain Services (teilweise oder 100% dezentralisiert) vor unterschiedlichen technischen und interaktionellen Herausforderungen. Im Mittelpunkt dieser Unterschiede steht, dass das Frontend welches die harte Arbeit leistet.
Ein dezentraler Dienst kann entweder einen
- Registrierungsflow nutzen, der dem vorherrschenden mentalen Modell entspricht (auch wenn die grundlegende Logik unterschiedlich ist) oder einen
- unterschiedlichen Prozess oder Methode anwenden (zu erwarten ist jedoch, dass ein Benutzer ein altes, konventionelles mentales Modell verwendet).
Keine der beiden Optionen wird einwandfrei funktionieren, beide haben ihre Probleme und Tücken.
Wie der Name schon sagt, der Hauptunterschied ist: Dezentrale Dienste funktionieren ohne einen zentralen Server. Daher wird viel Logik auf das Frontend, also den Browser, gelegt.
Designer und Entwickler müssen die neuen Hindernisse gleich zu Beginn der User Journey beseitigen. Aufgrund der technischen Unterschiede und damit verbundener Logikänderungen ist der Anmeldeprozess für Benutzer sehr unterschiedlich. Mit konventionellen Dienstleistungen hat die Industrie als Kollektiv diese Hindernisse schon vor Jahren gelöst und wird als selbstverständlich angesehen.
Nicht bei dezentralen Services.
Tatsächlich ist die wichtige Frage, die man sich bezüglich der Registrierungsflows stellen muss, ob man mit mentalen Modellen brechen soll oder nicht! Der Bruch würde natürlich auch bedeuten, dass Nutzer nicht auf ihre bestehenden mentalen Modelle zurückgreifen können, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben. Diese müssen ihre Modelle von Grund auf ändern oder neu aufbauen.
Probiere den Registrierungs- und Anmeldeprozess entweder von BitBay's dezentralem Marktplatz (in privater Beta zum Zeitpunkt des Artikels) oder ChronoBank, um aus erster Hand zu erfahren, wie ein solcher neuer Prozess funktionieren könnte. Du wirst sehen, dass diese noch einige Arbeit in Anspruch nehmen. Insbesondere der Prozess von Chronobank ist nicht so einfach, wie wir es von herkömmlichen Diensten gewohnt sind.
Kauf und Verkauf auf Plattformen
Der heilige Gral für dezentrale Plattformen zum Kauf und Verkauf von Waren ist, das erforderliche Vertrauen (konventionell, zentral) durch intelligente Verträge (dezentrale Smart Contracts) ersetzt werden. Bedenke aber, dass die Verwendung von Smart Contracts bedeutet, dass jeder potenzielle Fall abgedeckt sein muss bei Kauf und Verkauf.
Das vorherrschende mentale Modell der Nutzer ist hier recht ähnlich:
- Ich suche eine Ware
- Ich schreibe dem Verkäufer
- Verkäufer und ich einigen sich auf einen Preis
- Ich zahle die Ware
- Der Verkäufer versendet die Ware
Bitte beachte auch hier, dass die Verkaufsplattform selbst bei den meisten Schritten nicht involviert ist, nachdem du dein Interesse bekundet hast (nach Schritt 1). Der wichtigste Aspekt der Plattform ist, dass Verkäufer seinen Artikel posten und Käufer diesen finden können.
Das vorherrschende mentale Modell impliziert, dass ein Grossteil der Schritte beim Kauf ausserhalb der Plattform geschieht, bei dezentralisierten Diensten jedoch innerhalb oder auf der Plattform.
Die Kommunikation (in den meisten Fällen), Zahlung, Versand erfolgen außerhalb der Plattform.
Nun, der heilige Gral der dezentralen Dienste sind deren intelligenten Verträge (Smart Contracts). Die wichtigsten Teile dieser Verträge sind:
- Vereinbarung eines Preises
- Zahlung einer Kaution/Einlage, um die Anreize von Verkäufer und Käufer aufeinander abzustimmen
- Zahlung des Betrages
- Sendungsverfolgung
- Rückerstattung der Kaution/Einlage
Alle oben genannten Schritte werden durch Smart Contracts abgedeckt, andernfalls wird das Leistungsversprechen (USP) verwässert. Bedenke aber auch: Damit eine solche Plattform funktioniert, könnten Teile des Systems in einer zentralen Architektur entwickeln und die Logik der Smart Contracts vollständig dezentral zu entwickelt werden.
Wie bezieht sich das auf mentale Modelle?
Das vorherrschende Modell impliziert, dass die meisten Schritte im Prozess des Verkauf/Kaufs außerhalb der Plattform liegen. Bei dezentralen Diensten sind diese Schritte alle auf der Plattform vereint (abgesehen vom Versand natürlich). Darüber hinaus beinhaltet jeder einzelne Schritt auf der Plattform bestimmte Handlungen von Käufer und Verkäufer, um den Kauf oder Verkauf erfolgreich abzuschließen.
Siehst du die Herausforderungen dieser Plattformen?
Fazit
Ich hoffe, dass ich dir aufzeigen konnte, warum der Blockchain-Bereich so vielen Herausforderungen ausgesetzt ist, um den "Chasm zum Mainstream" zu überwinden. Im Hinblick auf mentale Modelle ist das Fazit ziemlich klar: Mit existierenden mentalen Modellen muss gebrochen werden. Im Idealfall entstehen natürlich neue Abläufe oder Muster, die den vorherrschenden mentalen Modellen so gut wie möglich entsprechen. Das Ziel sollte sein, das Mainstream-Nutzer die niedrigste Lernkurve haben, dasmit sie neue Blockchain-Dienste ausprobieren oder nutzen.
Es ist definitiv eine Herausforderung für die Branche, aber es ist sicherlich eine lösbare Herausforderung!
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